Eichkamp-Ausflug nach Britz am 28.09.2014

Klaus Kiel

Mit Dank an Gabriele Ulbrich und Helga Neumann

…wenn einer eine Reise tut…,
aber wenn 25 Eichkamper zusammen einen Ausflug machen, dann wird dies zum Erlebnis…

So auch am letzten Sonntag, Treffpunkt 8:50 Uhr an der S-Bahn, nach ca. 45 min Fahrt mit S- und U-Bahn Ankunft in Britz, einem Berliner Stadtteil, dessen Straßennamen Onkel-Bräsig-Straße und Parchimer Allee u.a. an die „Britzer Baumblüte“, dem Berliner Werder-Ersatz während der deutschen Teilung erinnern. Dass diese Britzer Baumblüte vor fast 100 Jahren ihren Ursprung hatte, erfahren wir von Herrn Holsten, unserem Stadtführer, einem jungen Mann von stattlicher Körpergröße (ca. 2,05 m), aber auch von ebenso „stattlicher“ Kompetenz. Die Anpflanzung von ausgewählten Bäumen und Büschen gehörte zu dem gartenarchitektonischen Konzept der sog. „Hufeisensiedlung“, durch die wir am Anfang unserer Exkursion von ihm geführt wurden.

Die Hufeisensiedlung entstand von 1925-1930 als erste deutsche Großsiedlung mit 1285 Wohnungen und 679 Einfamilienhäusern. Sie war die erste Mustersiedlung der Gehag, die in Zeiten großer Wohnungsnot und beengter Wohnverhältnisse in den innerstädtischen sog. Mietskasernen genossenschaftliches und gewerkschaftliches Bauen im Rahmen von „Stadtrandsiedlungen“ für Arbeiterfamilien realisierte.
Zwei berühmte Namen, Bruno Taut (1880-1938) und Martin Wagner (1885-1957), müssen erwähnt werden, sie waren die Initiatoren und Gestalter dieses baugeschichtlich so wertvollen Ensembles.

…Da konnten wir Eichkamper natürlich mitreden, nicht nur dass Bruno Taut und Martin Wagner auch mit der Architekturgeschichte Eichkamps verbunden sind, sondern auch, dass die ersten genossenschaftlich gebauten Siedlungshäuser in Eichkamp bereits vor 1925 entstanden sind…
Unserem Stadtführer gelang es hervorragend, nicht nur die architektonischen und baugeschichtlichen Besonderheiten, sondern auch die sozial-politischen Umstände der 20er und30er Jahre zu erklären. Zwei Namen sollen genannt werden, einmal der des „niederdeutschen“ Heimatdichters Fritz Reuter (1810-1874), nach dem und dessen literarischen Figuren und Schauplätzen eine Vielzahl von Straßen benannt wurden. Weiterhin soll Erich Mühsam (1878-1934) genannt werden, der in der Weimarer Republik sich in der Roten Hilfe für die Freilassung politischer Gefangener einsetzte. In der Nacht des Reichstagsbrandes wurde er von den Nationalsozialisten verhaftet und am 10 Juli 1934 von der SS-Wachmannschaft des KZ Oranienburg ermordet. In der Nähe seines ehemaligen Wohnhauses haben wir seinen Gedenkstein besucht.
Wegen des sozialen Konzeptes, der außergewöhnlichen Gestaltung und Vielfalt sowie der gut erhaltenen Bausubstanz, teilweise mit Originalfarben und -material, ist die Hufeisensiedlung am 7. Juli 2008 in die UNESCO-Welterbeliste aufgenommen worden.

Die Führung endete mit einer Besichtigung einer in den Originalzustand wieder hergestellten Kleinstwohnung, beeindruckend war die Funktionalität der sog. „Frankfurter Küche“, aber dennoch erschienen uns die kleinen Räume etwas erdrückend.
Nun wurde es Zeit für eine ausgiebige Mittagspause mit kleiner Puszta-Platte oder Zigeunerspieß.
Um die aufkommende Müdigkeit zu überwinden, danach ein kurzer Spaziergang zur Dorfkirche Britz.
Wenn uns anfangs die überwältigende Körpergröße unseres Stadtführers beeindruckt hatte, war es nun die zierliche Pfarrerin, Frau Anna Nguyen-Huu, die uns mit einer großen Begeisterung durch ihre Kirche führte. Mit lebendigem Stolz erzählte sie uns über die Geschichte der Kirche und aus dem aktiven Gemeindeleben. Sehenswert waren auch der dem Barock ähnlich gestaltete Altar mit Kanzel und das Taufbecken.
Da gut die Hälfte der Teilnehmer Mitglieder des Eichkampchores sind, was lag näher, als spontan zum Abschluss der Besichtigung ein gemeinsames Lied zu singen!!
Durch den musikalischen Höhepunkt gestärkt und mit einem strahlenden Gesicht der „Hausherrin“ verabschiedet, ging es jetzt zum nahegelegenen Schloss Britz.
Das Schloss Britz (eigentlich Gutshaus…) entstand um 1860 durch die Erweiterung eines bereits 1706 erbauten Gebäudes. Die ersten urkundlich belegten Erwähnungen einer dort ansässigen Familie „von Britzik“ stammen bereits aus dem Jahre 1375. Im Auftrag des Fabrikanten (Schnapsbrennerei) und Bankiers Wilhelm August Julius Wrede wurde das Gutshaus 1880 im Stil der französischen Neo-Renaissance gestaltet und eingerichtet. Dieser Zustand wurde im Rahmen einer aufwendigen Restauration wieder hergestellt. Während des Rundgangs durch die verschiedenen Räume erhielten wir einen Eindruck von der teilweise überladenen innenarchitektonischen Gestaltung und Möblierung der damaligen Zeit.
Ein überdimensional großes Bild im Esszimmer „Schwarzwildrotte im Schnee“ (Wildschweine) würde sicherlich uns Eichkampern den Appetit verderben…
Die Räume des Schlosses werden heute für vielfältige kulturelle Veranstaltungen genutzt.
Voll mit Informationen und Eindrücken ging es jetzt zum Kaffeetrinken ins benachbarte Hofcafé.
Bei herrlichem spätsommerlichen Wetter wurde über die Eindrücke bei Apfelkuchen und Cappuccino im regen Gedankenaustausch gesprochen, einige mutige „Feinschmecker“ probierten sogar hausgemachtes „Gurkeneis“. (Es schmeckt tatsächlich nach einer frischen Salatgurke…na, ja.)
Ein lohnenswerter Spaziergang über das angrenzende Gutsgelände oder durch den nach alten Vorbildern angelegten Schlosspark bildete den Abschluss des gemeinsamen Ausfluges nach Britz.
Wer jetzt noch nicht erschöpft war, hatte die Gelegenheit, das Museum Neukölln mit interessanten Exponaten auf dem Gelände des Gutshofes zu besuchen, um dann im Bus (Sightseeing Tour quer durch Berlin) voller Eindrücke, aber auch mit der Empfindung einer gemeinsamen Erlebnisreise in heimatliche Gefilde zurück zu kehren.
Nochmals danke an die beiden Organisatorinnen, mit der Vorfreude auf die nächste Exkursion.

Übrigens:
Es gibt in Berlin noch weitere fünf Siedlungen der Berliner Moderne, die man auch einmal in gemeinsamen Fahrradexkursionen erkunden könnte….
In seinen Liedern auf der neusten CD vertont „LÜÜL“ (den Eichkampern sicherlich wohl bekannt)
Texte von Erich Mühsam.
*(Gast) bedeutet, dass der Verfasser nicht bei twoday.net angemeldet ist.

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